Bilder, die im Gedächtnis bleiben, B4B Schwaben

Mit seinem Beitrag zur Ausstellung „Über Leben“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin legt Daniel Biskup zweierlei Zeugnis ab: von einer Zeit, deren Bilder das Leben einer ganzen Generation prägen – und vom Wert eines Fotojournalismus, der Menschen erkennt und Geschichten sichtbar macht.

Es sind immer die Bilder, die im Gedächtnis bleiben. Worte tun sich da viel schwerer. Wer heute versucht, sich jene Tage in Erinnerung zu rufen, als die Mauer fiel, dem werden nicht die Reden einfallen, die damals gehalten wurden. Aber die Bilder – die sind sofort wieder präsent. So gesehen ist der Beruf des Fotojournalisten privilegiert. Denn ihm ist es vorbehalten, sichtbare Beweise für Veränderungen von historischer Dimension festzuhalten.

Es wurde in jüngster Zeit viel darüber diskutiert, wie weit man diesen Beweisen in Zeiten von Photoshop und anderen Bildbearbeitungsprogrammen noch trauen kann. Verschwundene Armbanduhren und Schweißflecken gaben berechtigten Anlass zu diesen Überlegungen. Die Folge? Das Original hat an Wert gewonnen. Daniel Biskup ist einer dieser Fotografen, die es sich immer schon leisten konnten, allein Originale anzubieten.

Auch wer nur selten mit ihm gearbeitet hat – beim Autor dieser Zeilen sind es Abstände von gut zehn Jahren – konnte schnell erkennen, dass hier einer am Werk ist, der sehr schnell zum Kern des Sichtbaren vordringt. Der eine ganze Geschichte in ein einziges Bild zu fassen versteht. Der sieht, was zu sehen ist, und zeigt, was gezeigt werden muss. Der einzige Eingri), den er an der Realität vornimmt, ist die Wahl der Perspektive, des Standorts. Alles andere ge- ben die 50 Millimeter Brennweite vor, auf die Biskup sich verlässt. Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt seit einigen Wochen eine Ausstellung mit dem Titel „Über Leben“. Darin sind in einer Doppelschau rund 280 Bilder der westdeutschen Fotografen Thomas Hoepker und Daniel Bis- kup zu sehen. Beide dokumentierten auf unterschiedliche Weise das Zeitge- schehen zwischen Mauerbau und dem Ende des Kommunismus in Osteuropa: Thomas Hoepker beobachtete mit seiner Kamera das fremde Leben im ande- ren Deutschland.

Zwischen 1959 und 1991 näherte er sich ironisch-distanziert dem sozialistischen Alltag der DDR und dem Wandel nach dem Fall der Mauer. Daniel Biskup verfolgte in den 1990er-Jahren die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in der DDR, am Ende der Sowjetunion und in den Krisengebieten des Balkans. Im Fokus seiner einfühlsamen Bilder standen die Menschen, die in Städten oder Flüchtlingslagern ums Überleben kämpften.

Chronist in der Ära der Bilder

Es ist bei Daniel Biskup vor allem der Blick des Gleichaltrigen, der einen mitnimmt ins Verstehen des „Warum ausgerechnet dieses Bild“. Geboren und aufgewachsen im Wirtschaftswunderland, politisiert mit dem Konflikt um RAF, Startbahn West und Wackersdorf, gefestigt in der Überzeugung, dass „Wiedervereinigung“ eine folgenlose Phrase ist und dann überrascht, was menschlicher Wille jenseits des Eisernen Vorhangs an Freiheitsdrang und Veränderungskraft freisetzen kann, stehen seine Bilder für die Erkenntnis einer Genera- tion, dass längst noch nicht alles Wesentliche erkannt, erforscht und erfunden ist – geschweige denn geschehen.

Chronist in einer Epoche, die von Bildern, überwiegend bewegten Bildern geprägt ist, beherrscht Daniel Biskup die Kunst der bewegenden Bilder. Die beherrschen nur wenige. Das macht seine Arbeit so wertvoll und zu einem wichtigen Bestandteil des Journalismus in diesem Land. Angela Merkel hat eine Rede gehalten am Abend, als die Ausstellung öffnete. Sie, die selbst oft genug in seinem Fokus war, wenn er zum Beispiel für „Bild“ ganz nah dran war am Geschehen.

Sie hat über seine Bilder gesagt: „Es gibt fröhliche Bilder, aber eben auch schockierende Bilder, die Gewalt und Maß- losigkeit zeigen, die das Leid der Menschen festhalten, Mitgefühl und Anteil- nahme erzeugen.Das sind Fotos, die beklagen, aber auch anklagen. Sie sind alles andere als neutral. Aber da gibt es auch Dokumente von Mut und Lebens- willen – und immer wieder die Botschaft: ,Lasst uns die Situation zum Guten wenden.‘“ Sie hätte auch sagen können: „Wann immer ich ein Bild von Daniel Biskup ansehe, sehe ich Menschen, die mir eine Geschichte erzählen. Und ich kann diese Geschichte sofort verstehen.“ Der Titel der Bilderwelt, die noch bis 3. Oktober 2011 im Deutschen Historischen Museum zu sehen ist, spricht Bände „Über Leben“. Es braucht einen wie Daniel Biskup, dass man glauben kann, was man dort sieht. Weil er für uns hingeschaut hat und nicht zulässt, dass wir wegschauen.

Zur Person

Daniel Biskup wurde 1962 in Bonn geboren. Das Studium der Politik und Geschichte brach er aus Liebe zur Fotografie ab. 1982 erschien sein erstes Zeitungsfoto auf der Titelseite der „Augsburger Allgemeinen“, für die er bis 1990 als freier Mitarbeiter fotografierte. Mit dem Fall der Mauer 1989 konzentrierte sich der Autodidakt auf die radikalen Veränderungen in Ostdeutschland, der Sowjetunion und im früheren Jugoslawien. Seine Bilder berichten vom Leben und Überleben der Menschen nach dem Ende des Kommunismus in Osteuropa. In den letzten Jahren hat Daniel Biskup weltweit Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft porträtiert. Seine Fotografien werden heute in vielen Tageszeitungen, Magazinen und Büchern in Deutschland und anderen europäischen Ländern veröffentlicht. Daniel Biskup lebt mit seiner Familie im Landkreis Augsburg.

– Quelle: http://www.b4bschwaben.de/startseite_artikel,-bilder-die-im-gedaechtnis-bleiben-_arid,104199.html