Wie das Leben so ist von Swetlana Kolbanjowa, Königsberger Express

Die Ausstellung „Junge Deutsche“ überraschte das Kaliningrader Publikum.
So eine Veranstaltung wäre nicht möglich gewesen, wenn…

Wenn Kaliningrad nicht vor dreizehn Jahren für Ausländer geöffnet und wenn nicht im Jahr 1996 die Dependance der Handelskammer Hamburg in Kaliningrad eingeweiht worden wäre, wenn die beiden Staaten Deutschland und Russland 2003 und 2004 nicht zu den jeweiligen Landeskulturjahren erklärt hätten und schließlich wenn nicht am 12. Februar 2004 der Bundesminister Joschka Fischer den ersten deutschen Generalkonsul in Kaliningrad Dr. Cornelius Sommer vorgestellt hätte. Ach ja, und das Deutsch-Russische Haus darf man auch nicht vergessen!

Im Winter 1993 kamen Journalisten der Zeitung „Augsburger Allgemeine“ nach Kaliningrad, um das neuentdeckte Wunder „Bernstein-Exklave“ zu porträtieren, einer davon war der Fotograf Daniel Biskup. Stämmig, groß, breites Grinsen im ebenfalls breiten Gesicht, ständig am Knipsen, und – ein für einen „Westler“ erstaunlich ehrliches Interesse für die Menschen hier, für deren Belange und Schicksale; nicht diese elende Suche nach Russ-land-Klichees, sondern die Bereitschaft, eben das zu zeigen, was Sache ist. Wir verbrachten Tage mit offiziellen Gesprächen und Interviews, abends saß man bei Freunden, Künstlern und Kreativen (Ja, was? Die gibt es auch in Russland!), sponn über Gott und die Welt und lernte einander kennen. Schnitt.

Frühling 2004 in St. Petersburg. Mittag bei Dr. Stephan Stein, Leiter der beiden Büros der HK Hamburg, in Kaliningrad und an der Newa. In einem der vielen Regale stehen Bildbände, viele verschiedene Bücher. Was sehe ich denn da? Ein stilvoller grauer Umschlag: „Europa an der Newa“, darauf in schwarzen Buchstaben ein Name, der mir irgendwie bekannt vorkommt. „Ja, Swetlana, schau rein, tolle Bilder, toller Fotograf, habe ich hier während einer Ausstellung kennen gelernt“. Und die Bilder waren echt fantastisch, so echt, so grau, stichig, mürrisch und prächtig, wie St. Petersburg auch ist!

Zurück in Kaliningrad, Treffen mit dem Generalkonsul, das deutsche Kulturjahr in Russland läuft, ist eigentlich beinahe vorbei. Aber vielleicht findet sich doch die Gelegenheit, noch eine Ausstellung zu organisieren. Das letzte und beste Argument war der Bildband selbst, den mir Stephan Stein in weiser Voraussicht geschenkt hatte.

Kurzum: am 1. Oktober 2004 sind die Wände des Deutsch-Russischen Hauses voll bedeckt mit Bildern. Sie kennen sicherlich den Ausdruck: Bilder, die sprechen können. Nun, jene hier schrien geradezu: „Hey cool, ey voll geil, echt!“ Jugend in Deutschland, während eines der (sorry, München!) weltbekanntesten deutschen Events, der Berliner Love-Parade, schrill, jeck und super gut drauf. Das ist Leben, das sind Fotos, die auch jedem jungen Kaliningrader sofort verständlich und nah sind, denn mittlerweile wissen wir nicht nur, wo Berlin und die Love-Parade sind, wir fahren schon mal hin, um teilzunehmen. Daniel Biskup aber hatte diese Rave-Party von Anfang an dokumentiert. Nichts hingestellt, nichts arrangiert, sondern eben nur das fotografiert, was vor der Kamera ablief. Ist halt eben ehrlich geblieben. Und das kommt beim örtlichen Publikum ebenfalls gut an.

Auch Daniels breites Lächeln ist geblieben, nur die Wangen sind ein bisschen dicker geworden. Und zu den Jeans sind jetzt vornehme Sakkos und Manschettenknöpfe hinzugekommen, denn Daniel Biskup ist mittlerweile ein anerkannter deutscher Künstler, der überall in den Metropolen der Welt ausstellt, für namhafte Verlagshäuser arbeitet, lauter prominente Kunden porträtiert, darunter auch Michail Gorbatschow, Bill Gates, sogar Claudia Schiffer… Und neuerdings auch Dr. Cornelius Sommer. Vielleicht sind das die ersten Bilder für die künftige Ausstellung „750 Jahre Königsberg – Kaliningrad“ oder für einen neuen Bildband, der im Jubiläumsjahr 2005 erscheint. Und vielleicht wird dieser Band dann jemandem mehr bekannt vorkommen, der sich dann sagt: „Wow, is det doll! Det müssen wa unbedingt bei uns ausstellen“ und den Biskup anmailt und schreibt oder die Internetseite www.daniel-biskup.de anklickt… Nach dem Wunder „Wiedersehen in Königsberg/Kaliningrad“ scheint es mir durchaus möglich zu sein. Wie das Leben so ist.

Swetlana Kolbanjowa

Anm. der Red.: Die Autorin des Beitrags, geboren in Kaliningrad, arbeitet als Fernseh- und Zeitungsjournalistin für den Kalininingrader Rundfunksender “Kaskade“.

– Quelle: http://www.koenigsberger-express.com/index.php?b=1&id=19&a=5&id_article=363