Mein Russland – von der Perestroika bis Putin, The Huffington Post

Das erste Mal fuhr ich 1988 nach Moskau. Ich hatte eine Reise-Anzeige entdeckt: Für 500 Mark eine Woche Aufenthalt, Vollpension im 5000-Betten-Hotel Kosmos. Damals studierte ich noch Politik und Geschichte in Augsburg, arbeitete aber auch schon als Fotograf und wollte mit eigenen Augen sehen, wie sich die Sowjetunion durch Gorbatschows Perestroika und Glasnost verändert.
Wenn ich mir die Bilder anschaue, die ich in dieser Woche gemacht habe, denke ich oft, welch ein Glück es für mich gewesen ist, diese Zeit des radikalen Umbruchs von Anfang an miterlebt zu haben. Ich habe damals keine Sehenswürdigkeiten fotografiert, sondern nur Menschen. Wie sie stundenlang vor fast leeren Geschäften anstanden, wie sie auf den ersten freien Märkten ihre selbstgestrickten Pullover verkauften, sich vor den Wandzeitungen in der Arbatstraße drängten.

Die nächsten elf Jahre reiste ich immer wieder nach Russland und dokumentierte den Alltag der Menschen – von Minsk bis nach Kaliningrad, von St. Petersburg bis Moskau. Ich ging zu einer Misswahl und zu Modenschauen, porträtierte Straßenhändler und Soldaten, verfolgte Demonstrationen, Wahlkundgebungen und die Putschversuche 1991 und 1993. Es sind tausende Bilder entstanden, die ich zum größten Teil bisher noch nie gezeigt habe.

Ich war der erste deutsche Fotograf, der von Putin Porträts gemacht hat

Für mein Buch „Russland – Perestroika bis Putin“, das im Verlag Salz und Silber erschienen ist, habe ich 250 davon ausgewählt – Momentaufnahmen, die den Weg vom Zerfall der Sowjetunion bis hin zur ersten Präsidentschaft Wladimir Putins aus meinem Blickwinkel nachzeichnen. Dazu gehören auch die Porträts, die ich im Jahr 2000 als erster deutscher Fotograf von Wladimir Putin im Kreml gemacht habe.


Rückblickend würde ich sagen, die Neunzigerjahre waren das freieste Jahrzehnt der Sowjetgeschichte. Ich ahnte damals nicht, welche Aussagekraft diese Fotos einmal haben und wie viel sie 25 Jahre später über den Wandel in dieser Zeit erzählen würden.
Ich beobachtete eher mit Interesse und Neugier und hielt intuitiv fest, was mir spannend erschien. Wie wertvoll es war, diese Entwicklung und dann auch die Wendezeit in Deutschland und in Osteuropa mit der Kamera zu dokumentieren, zeigte sich erst viel später. Mit dem Bildband möchte ich an diese Zeit des Umbruchs erinnern. Denn sie ist auch der Schlüssel dafür, das heutige Russland besser zu verstehen.

Daniel Biskup: „Russland – Perestroika bis Putin“, mit einem Vorwort von Gerhard Schröder, Verlag Salz und Silber, 44,50 Euro (Ausstellung zum Thema ab 22. Februar bis 7. Mai 2017 im Schaezlerpalais Augsburg).

Das Buch ist der zweite Bildband einer Trilogie über den Umbruch in Osteuropa. Band 1 erschien im Herbst 2015: „Budapest – Berlin. Mein Weg zur Einheit“ (Er zeigt rund 250 Bilder – von den DDR-Flüchtlingen in Ungarn über Mauerfall und Montagsdemos bis zur Wiedervereinigung. Verlag Salz und Silber, 44,50 Euro).

Derzeit in Arbeit ist Band 3 über den Wandel der Gesellschaft 1990 bis 1995: Nachwendezeit und Umbruch in Ostdeutschland, Polen, Ungarn, Tschechien und Rumänien.

– Quelle: http://www.huffingtonpost.de/daniel-biskup/russland-putin-fotografie_b_14513262.html