Der Fotograf Daniel Biskup hat die Umbruchphase in der Sowjetunion dokumentiert. Seit über 25 Jahren reist er immer wieder Richtung Osten. In der Redezeit erzählt er, wie er den Alltag der Menschen festhält und „das Bild neben dem Bild“ findet.
Daniel Biskup hat sie schon alle gehabt: Merkel, Trump, Kohl. Im Jahr 2000 war er der erste deutsche Fotograf, der Wladimir Putin als Präsident porträtierte. Angefangen hat das 1988, als er eine Studienreise nach Moskau macht und seine ersten Bilder in der UdSSR. Er fotografiert keine Sehenswürdigkeiten, sondern Menschen in ihrem alltäglichen Leben. Er kommt mit ihnen in Kontakt, ohne ein Wort Russisch zu sprechen.
Als Ungarn im September 1989 die Grenzen zum Westen öffnete, lässt er alles stehen und liegen, setzt sich ins Auto und fährt los. Es ist das Interesse, das den Geschichtsstudenten treibt. Aufträge hat der Hobbyfotograf damals noch nicht. Er will ganz nah dran sein am aktuellen politischen Geschehen, seine Bilder machen.
In den 14 Wendemonaten hat der Autodidakt über 1000 Filme verschossen, rund 100.000 Kilometer verfahren, wie besessen davon, die friedliche Revolution abzubilden, so wie sie die Leute in ihrem Alltag erfahren. Biskup begleitet Menschen in ihre Wohnungen, auf die Arbeit, bei Begegnungen auf der Straße. Auch in den folgenden Jahren ist er immer wieder Richtung Osten gereist, um Veränderungen festzuhalten. Der Spiegel hat den Fotografen „Das Auge der Revolution in Osteuropa“ genannt.
Ein besonderes Gespür für Menschen
Er fotografiert Menschen: die Verkäuferin hinter eine leeren Ladentheke. Putin, als er Präsident wird. Trump in seinem Büro. Vor allem hat Fotograf Daniel Biskup den Umbruch im Osten, den Zerfall der Sowjetunion in beeindruckenden Bildern eingefangen.
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Die Regale sind leer. Ende der 80er Jahre bricht in der Sowjetunion eine schwere Versorgungskrise aus und führt zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. Es gärt in der Sowjetunion. Daniel Biskup ist zu dieser Zeit im Rahmen einer Studienreise in Moskau, damals ist er Mitte 20. Er spürt, dass diese historisch einmalige Phase in Bildern festgehalten werden sollte, fotografiert keine Sehenswürdigkeiten, sondern vor allem Menschen.
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„Entweder man ist dabei oder man sitzt vor dem Fernseher“, resümiert der Fotograf seinen Drang, den Umbruch mitzuerleben und zu dokumentieren. Der Rote Platz in Moskau: „Kommunistische Pilger“ warten auf Einlass ins Lenin-Mausoleum. Sie stehen nach wie vor treu zu ihrem Staat. In der Presse kann man zu dieser Zeit bereits die bislang verbotenen Prosa- und Geschichtswerke lesen, die Verbrechen der kommunistischen Macht enthüllen.
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Daniel Biskup ist 1962 in Bonn geboren und dort aufgewachsen, seine Mutter stammt aus Danzig, der Vater aus Schlesien. Während seiner Kindheit fährt die Familie oft in den Ostblock, um Verwandte zu besuchen. Eigentlich ist Daniel Biskup gelernter Postbote, arbeitet aber nur ein paar Jahre in seinem Beruf. Er studiert Geschichte und Politik in Augsburg. Er macht nie eine Fotografen-Ausbildung, ist Autodidakt.
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Wie kein Zweiter hat Biskup den Zerfall der Sowjetunion, die Jahre der gesellschaftlichen Veränderungen und Unsicherheiten begleitet. Er bekommt Momente und Menschen vor die Kamera – ohne dabei ein Wort Russisch zu sprechen. Er spiegelt Aufbruch und Freiheit wider und zeigt ebenso gebrochene Biografien.
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Bei vielen wichtigen Ereignissen des Umbruchs ist er hautnah dabei. So etwa beim Putschversuch 1991 und auch 1993, als der damalige Präsident Boris Jelzin einen Versuch erfolgreich abwendet. Daniel Biskup ist wie besessen davon, die friedliche Revolution abzubilden. In dieser Zeit erlebt er seinen Durchbruch als Fotograf. Das Geschichtsstudium bricht er ab. Er ahnt damals noch nicht, welche Aussagekraft seine Fotos einmal haben.
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Er beobachtet, fotografiert Situationen intuitiv – die anrührenden und erschreckenden. Moskau im Jahr 1993: der Alkoholkonsum steigt, die Lebenserwartung für Männer erreicht den absoluten Tiefpunkt: 57 Jahre. Wenn jemand am Boden liegt, soll sich die Polizei um ihn kümmern, nicht aber die Mitbürger.
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Über Jahre hat Daniel Biskup immer wieder die russische Gesellschaft in Zeiten des Wandels dokumentiert. Er ist der erste deutsche Fotograf, der Wladimir Putin porträtiert, als dieser im Jahr 2000 Präsident wird. Es folgen noch weitere Porträts. Biskup erlebt Putin als williges Model.
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Ebenso wie Donald Trump. Im Januar 2017 hat Biskup – gemeinsam mit Kai Diekmann (als Herausgeber der Bild-Gruppe) und einem Kollegen von der „Times“ – den damals bereits gewählten US-Präsidenten in New York getroffen. Die Resonanz darauf beschreibt Biskup als „die bislang größte in meiner Karriere“. Er erlebt einen Trump ohne Allüren, einen Fototermin ohne Restriktionen und ein Büro im Trump Tower, eingerichtet wie ein Privatmuseum.
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Nicht nur historische Ereignisse und Polit-Größen: Der Bonner Fotograf schafft es, Menschen zu öffnen, was man seinen Porträts ansieht, wie dieses des deutschen Singer-Songwriters Tim Bendzko. Biskup arbeitet immer mit „kleiner Ausrüstung“. Keine zig Lampen, kein ewiger Aufbau. Das verschrecke die Leute. Prominente freut es, wenn es schnell geht.
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Momentaufnahmen, und doch fast immer auch kleine Kunstwerke: Gerhard Schröder und Udo Lindenberg bei einer Party im Jahr 2001. Trotzdem versteht sich Daniel Biskup nicht als Künstler, sondern als Fotojournalist. Ex-Kanzler Schröder hat er diverse Male begleitet. Schröder hat auch das Vorwort für Biskups neuen Fotoband mit Titel „Russland – Perestroika bis Putin“ verfasst.
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Viele von Biskups Fotografien befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen wie im Russischen Museum in St. Petersburg, im Deutschen Historischen Museum in Berlin oder im Haus der Geschichte in Bonn. Bis 7. Mai 2017 zeigt eine Ausstellung in Augsburg, wo der Fotograf mit seiner Familie lebt, seine historischen Fotos, passend zum Fotoband „Russland – Perestroika bis Putin“. Ein einmaliges historisches Zeugnis der damaligen Zeit.
– Quelle und Interview auf: http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/daniel-biskup-100.html