Das Auge der deutschen Einheit, Bild

Kaum ein anderer Fotograf war so nah dabei, dokumentierte die berührenden Ereignisse rund um die Einheit Deutschlands so nachdrücklich wie Daniel Biskup (52).

Zum 25-jährigen Jubiläum der deutschen Einheit zeigt er 250 noch nie veröffentlichte Bilder aus dieser Zeit in zwei Ausstellungen und in einem Bildband.

Als 26-jähriger Student war Daniel Biskup im Sommer 1989 nach Ungarn gefahren, um DDR-Bürger zu porträtieren, die nach Deutschland flüchten wollten. Biskup porträtierte in den darauf folgenden Wochen und Monaten mit der gleichen Hingabe sowohl die mächtigen Protagonisten des Umbruchs wie das feiernde Volk.

Seitdem ist Biskup als Foto-Journalist ständig unterwegs – auch für BILD. Sein Instinkt lässt ihn faszinierende Motive entdecken – und historisch-politisch wichtige Prozesse erkennen. BILD stellt sechs Bilder vor, von Daniel Biskup kommentiert.

Mein Gänsehaut-Moment

„Schon von Weitem waren die ,Helmut, Helmut‘-Sprechchöre zu hören. 100 000 Menschen wollten am 20. Februar 1990 den Wahlkampf-Auftakt der CDU in Erfurt miterleben. Sie drängten sich dicht an dicht, durch Glück und Zufall kam ich unserem Kanzler, Helmut Kohl, ganz nah und konnte ihn fotografieren. Noch heute bekomme ich Gänsehaut. In seiner Rede sprach Kohl von Hoffnung, vom Fleiß der DDR-Bürger – und von einem blühenden Gemeinwesen. Die Menschen feierten ihn wie einen Messias. Wenn ich das Foto sehe, spüre ich die Last der Verantwortung auf seinen Schultern.“

Träume verwirklichen

„Auf das Begrüßungsgeld in Höhe von 100 DM hatte jeder DDR-Bürger Anspruch, vom Kind bis zum Greis. Dieser Junge, der zufällig am Gedenkstein an der Bernauer Straße stand, hatte lange von einem Spielzeug-Cabrio geträumt, konnte es sich nun kaufen. Andere mussten für ihren Lebenstraum, nämlich in Freiheit zu leben, mit dem Leben bezahlen. Das Bild entstand am 14. November 1989, zeigt das unbedarfte Glück eines Kindes neben dem Mahnmal der traurigen und unfassbaren Schande, dass die DDR ihre eigenen Bürger erschießen ließ.“

D bleibt, DR muss weg

„Ich fuhr auf der Autobahn im Bereich der deutsch-österreichischen Grenze, sah einen Trabbi auf dem Standstreifen stehen. Aus Neugier hielt ich an, stieg mit meiner Kamera aus. In dem Moment war auch der Fahrer ausgestiegen, ging hinter seinen Wagen, brach das DDR-Schild so ab, dass nur das ,D‘ übrig blieb. Ein stärkeres, aber auch einfacheres Symbol für den historischen, aber auch persönlichen Umbruch könnte es wohl kaum geben.“

Udo auf Mauer-Tour

„Im November ’89 schlenderte ich rund um den Potsdamer Platz in Ost-Berlin. Plötzlich hielt ein Taxi, der Sänger Udo Lindenberg stieg aus. Er ging Richtung Mauer, schaute sich um. Ich sprach Udo an, ob ich ihn fotografieren dürfe? Na klar! Eine halbe Stunde begleitete ich ihn. Er plauderte mit den Menschen, gab Autogramme. Udo hatte die Wiedervereinigung jahrelang besungen. Nun wollte er sich alles anschauen. Ohne Begleitung, ohne Bodyguards. Er wollte kein Aufsehen, sondern Nähe und Echtheit.“

Glück in Freiheit

„Im Sommer 1989 hielten sich viele DDR-Bürger in Ungarn auf, in der Hoffnung, das Land in Richtung Österreich und BRD verlassen zu können. Am 11. September 1989 öffnete Ungarn tatsächlich im Alleingang die Grenzen. Ich wartete am Grenzübergang Suben. Dieses Paar war gerade mit seinem Trabbi auf deutschen Boden gerollt, stieg aus, fiel sich in die Arme, hielt sich innig und halb weinend, halb lachend fest. Ein wunderbarer, berührender Moment.“
25 Jahre Deutsche Einheit

Deutschland feiert

„Brandenburger Tor, in der kalten Nacht des 31. Dezember 1989. Etwa 500 000 Menschen drängen sich rund um den Platz. Aus Ost und West sind die Menschen zusammengeströmt, um gemeinsam Silvester zu feiern. Ausgelassen, euphorisch, glückstrunken fallen sich fremde Menschen um den Hals, teilen sich Rotkäppchen und Mumm-Sekt. Ich stehe auf einem Gerüst des DDR-Fernsehens in etwa fünf Meter Höhe, die Kollegen haben mich freundlicherweise raufgelassen. Um Mitternacht jubelt die Masse. Ein neues Jahr beginnt, für viele ein neues Leben.“

– Quelle: http://www.bild.de/politik/inland/daniel-biskup/das-auge-der-deutschen-einheit-42916906.bild.html